Signale


2013 - 07 - 08
Silvio Wagner



Wer kennt das nicht, man öffnet eine supergute Karte, stellt sich auf eine Farbe bzw. ein Thema ein, in weiterer Folge bekommt man wenig von dieser Farbe zu sehen, man muss andere Karten nehmen, hält aber an seinen „Wunschpicks“ weiter fest und landet am Ende des Drafts vor einem Kartenhaufen. Und das Deck ist entsprechend schlecht.
Beim Draften gibt es neben dem Plan und der Strategie eine Sache, die wahrscheinlich wichtiger ist als alles andere: Signale zu geben und vor allem zu verstehen. Für jeden Limited Spieler ist das natürlich keine brandneue Erkenntnis, dennoch finde ich es wert, mal darüber nachzudenken, da in einem Cube Signale wegen der vorhandenen Kartenstärke in einer ganz anderen Dimension zu sehen sind. Fakt ist, ignoriere ich Signale, lande ich oftmals in einem schlechten Deck, interpretiere ich Signale richtig und adaptiere ich meinen Plan entsprechend, kann ich regelrecht zwischen den besten Karten wählen. Signale richtig zu interpretieren ist vor allem in frühen Stadien des Drafts wichtig, wenngleich es später natürlich einfacher wird. Klar ist, je früher man kapiert, auf welches Pferd man setzt, desto mehr hat man davon.
Um Signale zu verstehen und einordnen zu können, muss man zu allererst natürlich über die Power der Karten im Booster Bescheid wissen. Im Cube ist das natürlich alles andere als einfach, da das Angebot so hoch ist und eine verbleibende sehr gute Karte im Pack nicht immer bedeutet, dass der Spieler links/rechts von mir nicht eine ebenso gute genommen hat. Vorausgesetzt wir versetzen uns in die Lage von geübten Cube-Draftern, dann gibt es dennoch einige sehr eindeutige Signale.
Für alle nicht so Geübten habe ich deswegen eine Art Top 10 Liste (für meinen Cube) erstellt, da man sich an dieser durchaus ein wenig orientieren kann, wenn es darum geht, Karten aus Sicht ihrer Power besser einordnen zu können und vor allem bei den ersten Picks keine Fehlentscheidungen zu treffen. Ich halte an dieser Stelle aber auch fest, dass es mir nun nicht um Diskussionen geht, ob z.B. die Nummer 6 eigentlich besser ist als die Nummer 9. Vieles wird da zur Geschmacksache. Worum es geht, ist, ein Gefühl zu bekommen, wenn eine Karte aus den Top 10 noch im Booster ist und was man daraus ableiten kann.

Blau

1. Jace, the Mind Sculptor
2. Mana Drain
3. Opposition
4. Upheaval
5. Ancestral Vision
6. Cryptic Command
7. Bribery
8. Treachery
9. Snapcaster Mage
10. Tamiyo, the Moon Sage

Grün

1. Survival of the Fittest
2. Sylvan Library
3. Rofellos, Llanowar Emissary
4. Eternal Witness
5. Primeval Titan
6. Garruk Wildspeaker
7. Natural Order
8. Noble Hierarch
9. Garruk, Primal Hunter
10. Garruk Relentless / Garruk, the Veil-Cursed

Rot


1. Sulfuric Vortex
2. Bonfire of the Damned
3. Thundermaw Hellkite
4. Flametongue Kavu
5. Goblin Guide
6. Grim Lavamancer
7. Lightning Bolt
8. Chain Lightning
9. Inferno Titan
10. Wildfire

Weiß


1. Elspeth, Knight-Errant
2. Balance
3. Gideon Jura
4. Stoneforge Mystic
5. Armageddon
6. Swords to Plowshares
7. Elesh Norn, Grand Cenobite
8. Enlightened Tutor
9. Hero of Bladehold
10. Path to Exile

Schwarz


1. Mind Twist
2. Demonic Tutor
3. Recurring Nightmare
4. Vampiric Tutor
5. Reanimate
6. Thoughtseize
7. Grave Titan
8. Animate Dead
9. Griselbrand
10. Dark Confidant

Multicolored


1. Sphinx's Revelation
2. Ajani Vengeant
3. Kitchen Finks
4. Bloodbraid Elf
5. Vindicate
6. Sorin, Lord of Innistrad
7. Huntmaster of the Fells / Ravager of the Fells
8. Figure of Destiny
9. Boros Reckoner
10. Olivia Voldaren

Artefakte / Colorless


1. Sol Ring
2. Umezawa's Jitte
3. Crystal Shard
4. Icy Manipulator
5. Coalition Relic
6. Karn Liberated
7. Wurmcoil Engine
8. Sword of Fire and Ice
9. Batterskull
10. Sword of Body and Mind

(Meine aktuellste Cubeliste gibt es nun auch hier zu sehen)

Um das kleine 1x1 jetzt kurz zu Ende zu führen: wenn ihr Jace, the Mind Sculptor geschoben bekommt, bedeutet dies zu 99,9%, dass euer Vordermann euch in Blau haben will. Wenn ihr Upheaval , Cryptic Command, Treachery geschoben bekommt ist die Wahrscheinlichkeit ebenfalls sehr hoch. In einem sehr frühen Stadium eines Drafts sollte man solche Einladungen unbedingt annehmen, denn man kann davon ausgehen, dass weitere gute Kartenqualität in dieser Farbe durchgegeben wird und man vor allem in Runde 3 nochmals richtig davon profitieren kann.
Und jetzt das große 1x1. Um Signale zu verstehen, ist es wichtig, nebst der reinen Kartenpower Archetypen zu kennen (hey, endlich machen meine vielen Artikel auch mal Sinn und alles kommt zusammen!). Hier wiederum seid ihr mit einer großen Anzahl an Karten konfrontiert, die zwar auf einem Powerlevel nicht mit den Top 10 mithalten können, aber eine enorm wichtige Stütze für euer Deck sind und letztendlich auch starke Signale sein können.
Um das jetzt mal auf den Punkt zu bringen: bekommt ihr viele Ramp Spells geschoben, darf man sich durchaus mal überlegen, ob dieser Archetyp offen ist und man davon profitieren kann. Neben Rofellos, Llanowar Emissary, der natürlich auch auf der Liste steht, geht es aber um viel unscheinbarere Karten, die starken Signalcharakter haben. Alle 1 Mana Elfen sind beispielsweise so ein Signal, denn wenn diese nicht von den Vordermännern hoch genommen werden, hat das 2 Bedeutungen. Entweder niemand ist an diesem Archetyp interessiert, oder sie wissen nicht, wie ein gutes Ramp Deck funktioniert. Jede Farbe bringt Charakteristiken mit, die für Archetypen wichtig sind. In Blau wären es zB. Carddraw/Cardselection Spells wie Compulsive Research oder Preordain. Jeder Controlspieler würde sich auf solche Karten stürzen, gehen diese also spät, ist Ux Control möglicherweise als Archetyp offen. Schwarz punktet hier klarerweise stark mit Reanimation Spells. Diese sind wohl sehr klare Signale, weil hier de facto der damit verbundene Archetyp gleich mit draufsteht. Rote Signale bekommt man, wenn vor allem die 1er Drops missachtet werden. Damit verbunden sind die hyperaggressiven Builds, die möglicherweise dann niemanden sonst interessieren. Weiß ist hingegen etwas schwieriger festzumachen, da es meiner Meinung nach nicht den typisch weißen Archetypen gibt. Weiß ist bei seinen Karten sehr breit aufgestellt. Bekommt man sehr viele Wrath Effekte geschoben, kann man unter Umständen daraus ableiten, dass Controlartige Decks offener sind, sieht man viele 2er und 3er Drops, wird ein Wx Aggro/Midrange Build bei den Nachbarn unwahrscheinlicher.
Wechseln wir auf die eigene Seite. Was muss ich tun, damit ich gute Karten bekomme? IMMER den anderen einen guten Grund geben, in einer entsprechend anderen Farbe zu sein. Randnotiz: das ist übrigens auch der Grund, weswegen Hatepicks so schlecht sind, weil es oftmals nicht nur einen Pick sondern ganze Drafts beeinflusst und man selber nichts davon hat, wenn die Mitspieler Farbe wechseln müssen, um spielbare Karten zu bekommen, nur weil ich mir einbilde z.B. nicht gegen Wrath of God spielen zu wollen, obwohl man BG spielt. Jedenfalls - diesen Umstand gilt es beim Weitergeben von Karten immer zu berücksichtigen. Was ist die beste Karte, was die zweitbeste, und drittbeste ... was nehme ich mir selber, was gebe ich weiter ... und was kommt wieder zurück.

Beispiel 1 (Pack1, Pick1):

Ich öffne ein Booster mit Elspeth, Knight-Errant, Goblin Guide und Bribery. Ich habe nun folgende Möglichkeiten: ich springe sofort auf den aggressiven Zug mit dem Goblin Guide und kann fast garantiert davon ausgehen, dass meine Mitspieler Elspeth, Knight-Errant und Bribery nehmen, beides Farben die Rot kaum kreuzen. Mache ich das, kann ich davon ausgehen, in der weiteren Folge viele rote Karten zu bekommen, weil meine Mitspieler versuchen werden, ihre Controldecks aufzurüsten. Aggro ist gut gegen Control, meine Chancen mit dem Goblin Guide stehen also nicht schlecht. Den Goblin zu nehmen gibt also das eindeutigste Signal im Sinne von Archetypen, auch wenn es NICHT die beste Karte im Booster ist! Die andere Option ist, Bribery zu nehmen und in weiterer Folge die Finger von Weiß zu lassen, sodass mein Nachbar, der ziemlich wahrscheinlich Elspeth, Knight-Errant nimmt, in Weiß bleibt und mir in der Rückrunde eher Blau gibt. Mit Bribery lande ich ziemlich sicher in einem Control Build und gebe etwas Flexibiltät auf. Dritte Option: Elspeth, Knight-Errant. Die Dame passt in ein aggressives W, GW, und RW Deck... und ebenfalls in UW und BW Controlbuilds. Sie lässt meine Optionen definitiv am offensten und ist zusätzlich noch objektiv die stärkste Karte im Booster. Beide Signale, die ich weitergebe, sind allerdings nicht so stark wie andersrum, der eine muss ein totales Aggrodeck finden, der andere ein totales Controldeck. Vielleicht kommt sogar eine Karte zurück (weil irgendwelche G oder B Karten die anderen Spieler eher ansprechen), und ich kann beginnen, ein UW Control Deck zu bauen bzw. ein aggressives Boros Deck (RW). Auch das ist dann eine Information. Was ist also die richtige Wahl? Die Antwort darauf ist: wie es einem gefällt. Der Punkt ist nur, man muss die anderen Dinge im Hinterkopf behalten, um sich nicht selber oder andere zu sehr zu schneiden. Ich würde in 80% der Fälle Elspeth, Knight-Errant nehmen wegen ihrer Bandbreite, ihrer Power und der Sicherheit, dass sie garantiert nicht zurückkommt. Ich habe aber auch schon oft den roten Aggroplan eingeschlagen und damit gut getan. Farben und Strategien sind eine Präferenzsache.

Beispiel 2 (Pack1, Pick1):

Ich öffne ein Booster mit Ancestral Vision, Treachery und Recurring Nightmare. Was nehme ich? Hier habe ich die Möglichkeit, ein starkes Signal in Form einer Farbe weiterzugeben. Nehme ich Recurring Nightmare , bekommt mein Hintermann zwei gute blaue Karten, ich zeige ihm also, ich bin nicht an Blau interessiert und lade ihn dazu ein, in diese Farben zu gehen. Gleichzeitig muss ich ab nun recht konsequent blaue Karte weiterschieben, zumindest blaue Control Karten (Carddraw könnte mich ja selbst für eine Reanimator Route interessieren). Es besteht die Möglichkeit, dass der erste Spieler nach mir Ancestral Vision nimmt, der zweite Treachery (oder umgekehrt). Schön, wenn sich zwei andere in der gleichen Farbe streiten. Ich könnte nun Recurring Nightmare nehmen, eine sehr starke Karte und versuchen, ein Deck damit aufzubauen. Oder ich nehme einer der blauen Karten und versuche, Blau in weiterer Folge zu verteidigen, was bedeutet, mehr blaue Picks über anderen Dingen (auch wenn nicht immer besser), damit der neben mir keine blauen Spells bekommt, sich schwerer mit dieser Farbe tut und möglicherweise sogar umschwenken muss.
Was ist hier die richtige Wahl? Gefühlsmäßig Recurring Nightmare, obgleich meiner Vorliebe für Blau und Karten wie Ancestral Vision. Der Umstand, dass die Signalwirkung sehr hoch ist, ist hier ein guter Faktor, dass meine eigene Farbwahl in Ruhe gelassen wird.

Beispiel 3 (Pack1, Pick5):

Ich habe den Draft mit Opposition, Phyrexian Metamorph, Compulsive Research und Golgari Signet gestartet und bekomme ein Booster, in dem grün mit Joraga Treespeaker, Farseek und Tarmogoyf als Farbe sehr heraussticht. Joraga Treespeaker und Farseek können auf jeden Fall als Signal für Grün gewertet werden, zusätzlich deuten diese Karten auf Ramp als verfügbarer Archetyp hin. UG Ramp ist ein sehr guter Archetyp, und mit Opposition haben wir bereits ein sehr mächtiges Tool. Joraga Treespeaker ist einer der besseren 1 Mana Elfen und unterstützt den Opposition Plan in zweierlei Hinsicht: T3 Opposition, sowie ein Body für Opposition in weiterer Folge. Mit solchen Signalen im Booster sollte man diese Route einschlagen, da es wahrscheinlich ist, weiterhin für diese Entscheidung belohnt zu werden. Sei es durch weitere Manaelfen oder auch mal durch höhere Drops wie Deranged Hermit oder Avenger of Zendikar (beide perfekt mit Opposition).

Mehrfarbige Karten und farblose Karten

Ich habe diese Karten in meinen Top 10 angeführt, um euch ein Gefühl für absolute Kracher zu geben, wenngleich mir klar ist, dass diese Karten vor allem zu Beginn weder großartige Farbsignale noch Archetyp Signale sind. Allerdings steckt in den Farbkombinationen auch sehr viel Information, wenn diese das erste Mal zurückkommen. Bloodbraid Elf ist beispielsweise ein gutes Indiz, dass RG weit offen ist. Davon abgesehen ist z.B. eine Sphinx‘s Revelation für mich ein klarer First Pick und Grund genug einen Ux Control Archetyp zu forcieren. Ich habe selten bis jetzt ein Spiel verloren mit Sphinx‘s Revelation im Deck. Boros Reckoner oder Figure of Destiny sind weitere perfekte Starts zu einem Rx Aggro Deck.

Welche Tipps kann ich daraus also ableiten?

1. Keine Brechstange - wenn eine Farbe belegt ist, dann kann man sie nicht spielen.
2. Beachtet eure Position! Von wem ihr bekommt und wem ihr Karten weitergebt, ist wichtig.
3. Informationen, die man gewinnt, verwerten - keine Trotzreaktionen! Im frühen Stadium eines Drafts lässt sich JEDE Strategie noch ändern. Wenn ich offensichtlich sehe, dass eine Farbe bzw. sogar eine Strategie belegt ist, dann möglicherweise Farbe wechseln bzw. schauen, was sonst so daherkommt (auch da sind Signale versteckt!). Es kann nicht das Ziel sein, das zweitbeste Deck in einer Farbe / einem Archetypen zu draften!
4. Erste Picks darf man durchaus wieder fallen lassen zugunsten der Erkenntnis, in welchen Farben man sein soll. Das tut meistens ein bisschen weh, bringt aber über 3 Booster lang das bessere Ergebnis.

Fazit

Manchmal will man Signale geben und hofft, sie werden verstanden. Wenn man das tut, sollte man dies konsequent tun, da sonst alle Signale davor umsonst waren. Manchmal will man um eine Farbe kämpfen. Beides ist legitim, solange man weiß, was man tut, und dabei nicht vergisst, welche Signale man zuvor gegeben habe und welche nicht.
Signale werden stärker, wenn die Packs mal tablen. Dann kann man nämlich mit Sicherheit sagen, an welchen Karten die Mitspieler interessiert waren und an welchen nicht. Diese Informationen muss man aufsaugen, nicht nur bemerken und nichts tun - VERwerten!
Signale, die ich aktiv geben kann, werden aber auch wieder schwächer, je länger der Draft dauert. Wenn ich im dritten Pack einen Gideon oder einen Baneslayer Angel weitergebe, zeige ich nur, dass mich Weiß nicht interessiert, es gibt aber keine Rückrunde mehr von der ich profitieren kann. Selten steigt noch jemand im dritten Booster neu in eine Farbe ein, hier wird in der Regel ein Deck nur noch fertiggestellt und Kartenentscheidungen werden spezifischer. Das sind jedenfalls keine Signale mehr! Wenn ich zuvor hier nicht eindeutig mit Weiß umgegangen bin, darf ich mich später jedenfalls nicht ärgern, wenn „Kartengeschenke“ nicht mehr angenommen werden.

Viel Spaß beim Ausprobieren!
Bis dann,
Silvio






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